Mythen der E-Mobilität – Teil 2

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Technische Mythen

„Die Ladeinfrastruktur ist nicht ausreichend ausgebaut“

Damit die Elektromobilität Wirklichkeit werden kann, bedarf es einer flächendeckenden, bedarfsgerechten und einfach nutzbaren Ladeinfrastruktur. Deswegen hat sich die Ampel Koalition zum Ziel gesetzt bis 2030 1 Millionen öffentliche Ladesäulen für die Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Und bereits jetzt merkt man, dass sich hier etwas tut. Die Zahl der Ladepunkte hat in den letzten Jahren rasant zugenommen. Bereits heute gibt es in Deutschland über 73.000 öffentliche Ladepunkte[1], und es werden täglich mehr. Supermärkte, Hotels und Parkhausbetreiber bauen Ladestationen für ihre Kunden und Unternehmen für ihre Mitarbeitenden[2].

Die Angst, dass man während der Fahrt mit einem E-Auto liegen bleibt und weit und breit keine Ladestation zu erreichen oder frei ist, ist daher weitestgehend unbegründet. Das E-Auto hat zudem einen großen Vorteil: es kann ganz einfach beim Abstellen am Abend mit Strom aus der eigenen Steckdose aufgeladen werden, wodurch die Fahrten zur Tankstelle wegfallen. Interessant ist: Rund 70 Prozent aller Ladevorgänge finden zu Hause oder am Arbeitsplatz statt, womit sich das Tanken unterwegs ohnehin erübrigt.

„Das Stromnetz ist nicht auf elektrische Mobilität ausgelegt“

Die Elektrifizierung der Mobilität beschleunigt sich zweifellos, dennoch wird es nicht über Nacht zu einem massiven Stromengpass kommen! Die Umstellung von Verbrennungsmotoren auf Autos mit einem elektrischen Antrieb schreitet in kleinen, oftmals vorhersehbaren Schritten voran und gibt den Stromnetzen und Stromversorgern genügend Vorlauf, um mit der Entwicklung mitzuhalten. Natürlich geht das nicht ohne Investitionen und der Weiterentwicklung von Technologien. Denn wenn wir davon ausgehen, dass ab 2030 Millionen E-Fahrzeuge gleichzeitig über Nacht laden, könnte es durchaus zu Spannungsschwankungen kommen.

Doch genau hier setzt das sogenannte „Smart Charging“ an – eine entsprechende Lösung für das Lastmanagement. Schließt man sein Auto an solch einer Ladestation an, geht es eine Datenverbindung über eine Cloud ein, so kann der Ladevorgang aus überwacht, verwaltet und einschränkt werden. Wenn zu viele E-Autos gleichzeitig laden wollen, kann durch eine intelligente Steuerung die Energiezufuhr optimiert werden[3]. Ein Fahrzeug wird zum Beispiel nicht direkt am Abend, wenn der Stromverbrauch am höchsten ist, geladen, sondern erst verzögert bzw. über einen längeren Zeitraum hindurch in der Nacht, wenn wieder mehr Leistung verfügbar ist. Somit sind alle Autos am Morgen vollgeladen und es kam zu keiner Überlastung der Stromnetzte während der Nacht.

„Die Batterie hat eine kurze Lebensdauer“

Batterien sind das Herzstück von Elektrofahrzeugen und es wird oft behauptet, dass es hier eine extremen Verschleiß- und Reparaturanfälligkeit gibt. Doch wussten Sie, dass Batterien von E-Autos in der Regel zwischen 10 und 20 Jahre halten, bevor die Batterien ersetzt werden müssen? Elektroauto-Batterien sind auf Langlebigkeit ausgelegt und hören in den meisten Fällen nicht auf nach ein paar Jahren zu funktionieren.

Zwar verlieren die Batterien mit der Zeit etwas von ihrer Ladekapazität – dies geschieht jedoch sehr langsam. Wie eine Studie von Tesla zeigt, hat eine Batterie auch nach 200.000 gefahrenen Kilometern noch mehr als 80% ihrer ursprünglichen Ladekapazität[4]. Außerdem müssen Sie sich keine Sorgen um die Kosten für den Austausch der Batterie machen, denn die meisten Hersteller gewähren eine Standardgarantie von fünf bis zehn Jahren oder bis zu 100.000 km, falls etwas mit der Batterie passieren sollte.

E-Autos brennen öfter, schneller und länger“

Google liefert zu dem Suchbegriff „brennendes E-Auto“ deutlich mehr Treffer als bei der Suche  nach „brennendes Verbrennerfahrzeug“. Doch ist da etwas dran? Die Literatur sagt: Nein. Laut Aufzeichnung des Versicherungskonzerns Allianz fangen E-Autos nicht häufiger Feuer als Benziner oder Diesel. Das gilt sowohl für Situationen während der Fahrt als auch im Zuge eines Unfalls. Auch der Deutsche Feuerwehrverband sagt, dass es keine Unterschiede in der Gefährdungsbeurteilung bei der Risikoeinschätzung der Lithium-Ionen-Akkus gibt.

Brennen Elektroautos und ihre Akkus schlicht intensiver? Auch diese Vermutung verneint der Feuerwehrverband. Wie heftig der Brand ausfällt, hänge nicht mit der Antriebsart des Autos zusammen. Verantwortlich seien dafür die verbauten Kunststoffe und andere leicht entflammbare Substanzen. Hiervon gibt es in einem Auto mit Verbrennermotor schlicht viel mehr. Der ADAC bestätigt des Weiteren, dass der Brand eines E-Autos für Insassen oder Personen in der Nähe weder gefährlicher noch heikler ist als ein Brand eines normalen Autos. Anforderungen an ein E-Auto sei die „Eigensicherheit“ der Batterie: Kommt es zu einem Crash, wird der Stromfluss technisch sofort unterbunden. Für Insassen und Ersthelfer sei die Sorge vor einem Stromschlag somit unbegründet.

Das Einzige, was an dem Mythos stimmt, ist die Tatsache, dass der Brand eines E-Autos einer aufwendigeren Löschung bedarf. Neben dem Löschen des Feuers selbst ist die Minimierung der Batterietemperatur für ein brennendes Elektrofahrzeug wichtig, was zu erhöhtem Personalbedarf und Wasser führt[5]. Trotzdem: Es ist im Allgemeinen weniger wahrscheinlich, dass sich der Brand eines Elektroautos auf andere Fahrzeuge oder Objekte ausbreiten als bei Diesel- oder Benzinmotoren.

Es gibt keine Lösung zum Recycling der Batterien“

Man kann sich zurecht fragen: Was passiert mit der Batterie, wenn sie an Kapazität verliert und ausgetauscht wird? Droht uns in den kommenden Jahren ein massives Entsorgungsproblem? Die Antwort ist Nein, denn wertvolle Rohstoffe werden nach einer möglichen Second Life-Nutzung wiederverwertet. Lithium Batterien sind bis zu 90% recycelbar. Akkus, die für den Einsatz im Auto nicht mehr leistungsfähig genug sind, sind keineswegs wertlos. In der Regel haben sie dann nach mehreren Tausend Ladezyklen immer noch einen Energieinhalt von 70 bis 80 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität. Deswegen setzt man diese oftmals in einem „second life“ im stationären Betrieb ein. So gibt es zum Beispiel im Hamburger Hafen einen Großspeicher mit i3-Akkus. Die Kapazität der in zwei Containern beherbergten Akkus beträgt zwei Megawatt. Sie dienen dazu, Schwankungen bzw. Bedarfsspitzen im Stromnetz von Hamburg auszugleichen.

Und auch am finalen Recycling wird immer weiter geforscht. Das Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Aufbereitungstechnik (MVTAT) an der TU Freiberg forscht an klassischen Aufbereitungstechniken wie dem Zerkleinern, Trocknen und Sortieren. Herauskommen am Ende klein geschredderte Akkubestandteile. Diese werden mit Hilfe eines Luftstroms sortiert, so dass am Ende nur noch die schweren Metallteilchen aus dem Gehäuse übrigbleiben. Diese können im Vergleich zum Schmelzverfahren zurückgewonnen werden und stehen so dem Stoffkreislauf als Sekundärrohstoffe wieder zur Verfügung. Insgesamt können so >90% einer Lithium-Batterie recycelt werden[6].

Das Thema Batterierecycling ist auch auf der Agenda der Automobilindustrie. So hat Mercedes-Benz am Standort Kuppenheim den Grundstein für eine Batterie-Recyclingfabrik gelegt. Diese soll zum Ende des Jahres in Betrieb genommen werden und eine nachhaltige Schließung des Wertstoffkreislaufs von Batterien ermöglichen, um dadurch den Ressourcenverbrauch deutlich zu reduzieren[7].

„Die Rohstoffgewinnung für die Batterie ist nicht nachhaltig“

Lithium, Kobalt, Nickel und Graphit sind wertvolle Rohstoffe, die benötigt werden, um neue Technologien wie zum Beispiel die Elektromobilität weiterzuentwickeln. Der Abbau von diesen Rohstoffen, so wie er derzeit betrieben wird, schadet jedoch der Umwelt und die Vorräte sind endlich.

Experten gehen zwar davon aus, dass trotz steigender Nachfrage die weltweiten Reserven für die nächsten Jahrzehnte ausreichen werden. Aber der Abbau dieser endlichen Rohstoffe findet oftmals in Regionen statt, wo instabile politische Verhältnisse herrschen. Darüber hinaus sind die Arbeitsbedingungen oftmals sehr schlecht und die Sicherheitsstandards nicht ausreichend. Ein weiteres Problem ist die Kinderarbeit, die immer wieder zur Sprache kommt, wenn es um den Kobaltabbau geht[8].

Es geht kein Weg dran vorbei: die Bedingungen vor Ort müssen verbessert, formalisiert und reguliert werden. Behörden vor Ort sollen bei der Etablierung von Kontrollmechanismen unterstützen. Starke staatliche Institutionen in den Bergbauländern werden als der wichtigste Faktor für Verbesserungen der Umwelt- und Sozialstandards gesehen. Aus Perspektive der rohstoffverarbeitenden Länder und Unternehmen ist die Etablierung verpflichtender unternehmerischer Sorgfaltspflichten der vielversprechendste Ansatz zur Bekämpfung von Missständen. Diese Sorgfaltspflichten beinhalten, dass Unternehmen soziale und ökologische Risiken in ihren Wertschöpfungsketten kennen, offenlegen und durch Maßnahmen abmildern. Flächendeckend lässt sich dies nur durch Gesetze erreichen.

Ein Beispiel für eine Initative, die sich für eine Verbesserung von Arbeitsbedingungen einsetzt ist die Certified-Trading-Chains-Initiativen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Unter anderem unterstützen sie Kleinbergbau-Kooperativen beim Erreichen von Mindeststandards und einer entsprechenden Formalisierung[9].

Mittel- bis langfristig muss sich aber die Industrie darum bemühen, den Bedarf an Rohstoffen zu verringern oder zumindest nicht weiterhin exponentiell steigen zu lassen. Endprodukte recyceln oder ressourcenschonende Alternativen zur Lithium-Ionen-Zell-Technologie zu entwickeln sind gute Ansätze. So haben Tesla und Panasonic es bereits geschafft, den Kobaltbedarf von 33 % auf 15 % pro Akku zu reduzieren und sogar kobaltfreie Batterien erreichen im Labor schon dieselbe Leistungsfähigkeit wie Batterien mit Kobalt. Genauso eifrig wird an lithiumärmeren Batterien geforscht. Wir sind überzeugt, dass hier noch sehr viel Verbesserungspotenzial gibt!

Um einmal den Wasserverbrauch in Relation zu betrachten hier ein kleiner Vergleich. Für die Herstellung einer Lithium-Ionen-Batterie braucht man ca. 50.000l Wasser. 1kg Rindfleisch verbraucht bereits 15.000l Wasser. Im Deutschland werden pro Kopf im Jahr 9,4kg Rindfleisch gegessen, was einem Wasserverbrauch von 141.000l mit sich bringt[10]. Dies ist fast 3x so viel wie der Bedarf für die Herstellung einer Batterie. Aber natürlich hat man hier auch noch längst nicht ausgeforscht und es werden immer wieder neue Technologien für einen geringeren Wasserverbrauch entwickelt.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Mythen gegenüber der E-Mobilität oftmals nicht der Realität entsprechen. Es ist jedoch klar, dass der Umstieg zur E-Mobilität allein nicht der Klimakrise entgegenwirken kann, denn schlussendlich ist nicht die Art des Antriebs entscheidend. Wollen wir die Klimakrise in den Griff bekommen, muss der ÖPNV sowie die Fahrradinfrastruktur schnell und umfassend ausgebaut und intensiver genutzt werden, genauso wie die Entwicklung von Konzepten zur wirksamen Verkehrsvermeidung erstellt und erfolgreich umgesetzt werden! Das gesamte Mobilitätsverhalten muss sich  einheitlich ändern. Die ersten 5 Mythen findet ihr hier.

 

[1]https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/E-Mobilitaet/start.html

[2]https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/masterplan-ladeinfrastruktur-2.pdf?__blob=publicationFile

[3] https://www.virta.global/de/blog/faktencheck-uberlasten-e-autos-wirklich-unser-stromnetz

[4] https://www.tesla.com/ns_videos/2021-tesla-impact-report.pdf

[5]https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/elektromobilitaet/info/sicherheit-elektroauto/

[6]https://www.pem.rwth-aachen.de/global/show_document.asp?id=aaaaaaaabdqfase

[7]https://group.mercedes-benz.com/unternehmen/news/recyclingfabrik-kuppenheim.html

[8] https://efahrer.chip.de/news/rohstoffe-fuer-e-auto-akkus-wie-kritisch-ist-die-foerderung-wirklich_101619

[9] https://www.isi.fraunhofer.de/content/dam/isi/dokumente/cct/2020/Faktencheck-Batterien-fuer-E-Autos.pdf

[10] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36573/umfrage/pro-kopf-verbrauch-von-fleisch-in-deutschland-seit-2000/

 

Franka Kunft


Seit März 2023 ist Franka Kunft Praktikantin bei PROJECT CLIMATE mit dem Ziel, das Team bei den Projekten zu unterstützen und berufliche Erfahrungen im Bereich der nachhaltigen Mobilität zu sammeln. Dabei bringt sie als Studierende des Bachelorstudiengangs 'Internationale Betriebswirtschaft - interkulturelle Studien‘ viel wertvolles Know-how ein, von dem das Team und unsere Kunden profitieren.